Siebzig Jahre - ein Rückblick

Noch heute lebt in der Gemeinde und in der Cyriaksiedlung das Gedächtnis von Schwester Hertha Meyer. Über fünfundzwanzig Jahre lang war sie die Bewohnerin der Kapelle, repräsentierte „die Kirche im Dorf“ und stand den Menschen als Gemeindeschwester in allen Dingen mit Tat und Rat zur Seite. Schon den Bau der Kapelle hat sie begleitet; 1975 zog sie sich zum verdienten Ruhestand ins Diakonissenmutterhaus nach Halle zurück.

War die Errichtung der Cyriakkapelle in der Siedlung auf dem Berg vor den Toren der Stadt einst nötig gewesen, weil der Weg zur Predigerkirche mitten in Erfurt einfach zu weit war, so hatte sich die Lage in den fünfundzwanzig Jahren erheblich geändert. Eine Straßenbahn, die bis zum Haupteingang der „iga“ (= Internationale Gartenbauausstellung) direkt neben der Cyriaksiedlung fährt, macht seit Beginn der sechziger Jahre den Weg zu einem Katzensprung. Hingegen konnte die Gemeinde eine Nachfolgerin für Schwester Hertha nicht finden oder nicht bezahlen.

Guter Rat war für den Gemeindekirchenrat der Predigerkirche teuer, aber er fand sich dennoch: Ein ehrenamtlicher Arbeitskreis wurde gegründet, in dessen Hände die Erhaltung und Verwaltung der Kapelle gelegt wurde. Die Anfangsjahre waren nicht ganz einfach: Mancher hing noch den alten Zeiten nach, misstraute dem, was dieser Kreis da machte, und auch in der Gemeinde musste das Bewusstsein erst wachsen, dass „Cyriaki“ keine externe Randaufgabe Hauptamtlicher mehr war, sondern nun in ihre Mitte gehörte. Daneben waren einige Versuche abzuwehren, die Kapelle aufzugeben und das Gelände kommerziell zu nutzen.

Trotz allem und durch alles hindurch hat der „Cyriakkreis“ die Kapelle und den großen, sie umgebenden Obstgarten bis auf den heutigen Tag mit einem Minimum an finanziellem Aufwand, aber mit viel persönlichem Einsatz, Fantasie und Engagement erhalten. In den 1990er Jahren begann sich der Kreis auch für die Frage nach der Herkunft der Kapelle und nach ihrem Baumeister zu interessieren, die zu einem neuen Blick auf die „Predigt der Architektur“ und 2001 zur Unterschutzstellung der Kapelle als Baudenkmal führte.

Längst weiß die Predigergemeinde ihre Kapelle im Grünen vor allem in den Sommermonaten zu schätzen und nutzt sie für Gemeindefeste, als Ausflugsziel für ihre beiden Kindergärten, Treffpunkt für Gesprächskreise und anderes mehr. Auch andere Gemeinden und Gruppen sind immer wieder zu Gast auf „Cyriaki“. Aus dem Cyriakkreis selbst stammt die Idee, an den Nachmittagen der Sommersonntage die Tür der Kapelle und den idyllischen Garten für beliebige Gäste offen zu halten und zu Kaffee und selbstgebackenem Kuchen einzuladen, was auch heute noch an den ersten Sonntagen der Sommermonate als gute Tradition fortgeführt wird.

Aus allen diesen Erfahrungen ist die derzeitige Nutzungskonzeption der Cyriakkapelle entwickelt worden. Neben den schon erwähnten Angeboten, mit denen die Cyriakkapelle aufwartet, sind damit vor allem die jährlichen „Cyriakfeste“ ins Leben gerufen worden, die seit 1998 jedes Jahr stattfinden.

Allerdings gibt es Ausnahmen: die „Bauhausjahre“ 2009 und – 100jähriges Jubiläum – 2019. In diesen Jahren haben Predigergemeinde und Cyriakkreis in Zusammenarbeit mit der Otto Bartning-Arbeitsgemeinschaft Kirchenbau e.V. ihre Energien auf ein besonderes Projekt konzentriert: die Ausstellung „Otto Bartning und das (andere) Bauhaus“, die im Frühsommer 2009 in der Cyriakkapelle gezeigt wurde, und „Kirche(n) und Bauhaus: Eine Spurensuche“ im Spätsommer 2019. Beide Ausstellungen erregten beachtliches Interesse in der Öffentlichkeit.

2021 – inzwischen im 71. Jahr der Cyriakkapelle – steht sie als Raum der Stille, Kapelle im Grünen oder „Gottes Gartenhaus“ im Programm der BUGA und zieht mit einem sympathisch-persönlichen, selbstgemachten Programm an den Wochenenden hoffentlich viele Besucher an, die nach ihren Besichtigungswegen einen Moment der Besinnung und des Ausruhens suchen.

Um für diese besonderen Anlässe gut vorbereitet zu sein und mit Unterstützung von großzügigen Förderern hat die Cyriakkapelle in den vergangenen Jahren ein paar schöne bauliche Auffrischungen erfahren – einen neuen Fußboden, ein neues Dach, die denkmalgerechte Restaurierung der beiden großen Fenster, neue barrierefreie Wege und sogar einen zweiten Eingang ins Gelände.

Hinter all dem engagiert sich der Cyriakkreis immer weiter für die ihm übertragene Aufgabe – mit Schaffenskraft, Fantasie und Liebe zur Sache, die ja am Ende mehr zu bedeuten hat als das Erhalten eines Gebäudes aus Stein und Holz...

Amen.

Im Folgenden einige ausgewählte fotografische Dokumente aus den Zeiten

Nach oben