Cyriaksiedlung

Vor und nach dem 1. Weltkrieg kam es in Deutschland und auch in Erfurt im Rahmen einer auf Ausgleich zwischen den Bevölkerungsschichten ausgerichteten Kommunalpolitik zu einem sozial geprägten Siedlungsbau. Anlagen des gemeinnützigen Wohnungsbaues und Genossenschaftskolonien wurden auf vielfältige Art unterstützt. Dazu gehörten besonders auch selbstständige Siedlungsgemeinden am Stadtrand, für deren Gestaltung Wohnideale der deutschen Gartenstadtbewegung im Sinne ein- und zweigeschossiger Eigenheime in gärtnerischer Umgebung dienten.

Der auch mit Hilfe der nach der Inflation eingeführten Hauszinssteuer stattgefundene sozial geprägte Bauboom in Erfurt zwischen 1927 und 1930 mit jährlich ca. 1.000 gebauten Woh­nungen kam je­doch mit nur noch 300 gebauten Woh­nungen im Jahr 1931 in Folge der Welt­wirtschaftskrise fast zum Erliegen. Der Anstieg der Baukosten, erneute Inflation und Wegfall von Kaufkraft bei weiten Bevölkerungsteilen führten zu einer reichsweiten wohnungspolitischen Katastrophe.

Als Folge startete die Reichsregierung ein Notprogramm, das vor allem auf die Explosion der Arbeitslosigkeit unter der Industriearbeiterschaft reagierte und vorsah, sogenannte Erwerbslosen- bzw. Selbsthilfesiedlungen von den Betroffenen selbst errichten zu lassen. Eine entsprechende Notverordnung des Reichs­siedlungs­kommissars vom Oktober 1931 regelte die äußerst knapp bemes­se­ne finanzielle Unterstüt­zung von 2.500 Mark pro Siedlerstelle. Zur Kos­ten­einsparung hat man die umfassende Betei­ligung der zukünftigen Siedler an den Bau­arbeiten vorgesehen. Das Auswahlverfahren richtete sich deshalb neben kinderreichen Familien und arbeitslosen Industriearbeitern an Bauhandwerker ohne Erwerb. Ihre Arbeitskraft wurde den Bauunternehmen im Rahmen des „Freiwilligen Arbeits­dienstes“ unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Grundstücksgröße war auf eine weitgehende Selbstversorgung (rück­wärtiger Kleinviehstall) und autarke Fäkalien­entsorgung abgestimmt.

Am sozialreforme­ri­schen Anliegen der Deut­schen Gartenstadt-Gesellschaft, „die unzufriedene Menschheit wieder an Natur und Scholle zu fesseln“, orientierte sich die Siedlungsarchitektur.

Dieser wichtige As­pekt der Ent­politi­sierung der Arbeiter­schaft war auch ein Grund für die un­gebrochene Weiter­führung des Kon­zep­tes durch den natio­nal­sozia­listi­schen Ma­­gistrat Er­furts. Noch 1932 begann man, Flä­chen nach den vom Reich vor­gegebenen Kri­te­rien festzulegen und da­für Selbsthilfesied­lun­gen zu planen. Im Flächennutzungs­plan Mitte der drei­ßiger Jahre sind sie als „zukünftige Sied­lungs­gebiete (nicht unter 800 Quadratmeter Grundstücksgröße)“ vermerkt. 

1932/33 entstanden so die Sulzer Siedlung und 1937/38 die Hungerbachsiedlung im Norden Erfurts. Weitere Siedlungen waren 1934 - 38 die Cyriaksiedlung und schließlich 1939/40 die Siedlung Blumenstadt an der Leipziger Straße. Das Leitbild des freistehenden Selbstversorgerhauses in Stadt­randsiedlungen ist ein Konzept, das vor allem den subventionierten Wohnungsbau der Zeit des Nationalsozialismus bestimmen sollte.

Der Bebauungsplan für die Cyriaksiedlung wurde 1934 erstellt. Es waren überwiegend zweigeschossige standardisierte Doppelwohnhäuser geplant. Die langgestreckten Grundstücke sind einheitlich ca. 12 m breit und 60?90 m lang, was Flächen zwischen 700 und 1100 m² ergibt. In einem ersten Bauabschnitt 1934-36 entstanden drei Typen von Doppelhäusern mit insgesamt 118 Wohneinheiten. Im zweiten Bauabschnitt 1936-38 war die Bauausführung für 164 Wohneinheiten nur geringfügig geändert worden.

Die Raumdisposition der Einfamilienhäuser richtete sich nach dem bauzeitlichen Wohnstandard sowie den Bedürfnissen von Selbstversorgern mit Stallungen und Abortanlage in den großen Gärten.

Die vorgesehene Fläche des Plangebiets wurde wegen der Kriegs­vorbereitungen schließlich nur zu zwei Dritteln bebaut. Der südöstliche Bereich wird seit 1951 von der Kleingartenanlage „Cyriaksburg“ genutzt. 1961 entstand zudem der Großparkplatz für die „Internationale Garten­bauausstellung“. Am westlichen Rand der Siedlung befindet sich die 1950/51 erbaute Christian-Reichardt-Grundschule Erfurt.

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